Leise bewegen wir uns auf schmalen Pfaden durch das Grün. Mein Hemd wird zunehmend feuchter, ob mehr vom Schweiss oder von den nassen Blättern – egal.
Seit drei Stunden geht es bergauf und bergab durch einen kleinen Teil des 10.000 km2 großen Gunung Leuser Nationalparks auf Sumatra. Zwei Guides, Baik und Rani, wir beide und Mell aus England, der erst in der letzten Nacht nach einem langen Flug in Bukit Lawang eintraf.
Die ersten beiden Orang Utan trafen wir schon nach einer Stunde. Die in diesem Teil des Parks lebenden Menschenaffen sind ausgewilderte Tiere. Sie sind den Kontakt mit Menschen gewöhnt, halten aber Abstand – auch weil sie nicht gefüttert werden. Sie bleiben oben in den Bäumen, die für sie evolutionär Sicherheit vor dem Tiger bieten – den es hier kaum mehr gibt. Jeden Abend bauen sich die Orang Utan ein Schlafnest, durchaus ähnlich einem Vogelnest, in den Baumkronen. Wer aufmerksam nach oben schaut, wird im Leuser Park einige davon finden.
Von oben schauen die beiden Orang Utan auf die Menschen. Genüsslich werden dabei einige Früchte verspeist und sich langsam von Baum zu Baum geschwungen. Nicht selten biegen sich die Bäume erschreckend weit nach unten, denn so ein ausgewachsener Affe wiegt zwischen 70 und 100 kg.
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Wir ziehen weiter.
Immer wieder zeigen uns Baik und Rani, die beide aus Bukit Lawang stammen, Pflanzen oder besondere Insekten. Plötzlich weist Rani auf den Boden auf dem frische, unzählige Schalenreste grüner Mangos liegen. Und hinter der nächsten Kuppe sitzen sie etwas träge und sehr satt in den Ästen von Büschen direkt vor uns – Thomas Languren. Grau-schwarzes, langes, dichtes Fell, feingezeichnete Gesichter, Rumpflänge etwas 50 cm und sehr friedlich, wie Rani meint. Tatsächlich, sie lassen uns bis auf 2 m herankommen, schauen mal kurz auf die großen Besucher und machen ansonsten, was sie wohl auch ohne uns tun würden; verdauen, schauen was in der Gruppe so passiert und ab und an mal den Ast wechseln. Bestimmt eine halbe Stunde erfreuen wir uns an ihnen, dann geht unsere Wanderung weiter.
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Pünktlich zur Mittagszeit setzt der Regen ein, schließlich heißt es ja Regenwald. Den Versuch eine Regenjacke zu tragen beende ich schnell wieder, die Hitze darunter ist unerträglich. Und nass bin ich sowieso.
Nach der Mittagsrast, bei der wir köstlich von unseren Guides verpflegt werden, gehen wir weiter in Richtung Fluss. Ab einer bestimmten Stelle geht Rani voran, um nach Mina, einem Orang Utan Weibchen Ausschau zu halten, die als aggressiv gilt und in diesem Gebiet lebt. Wir gehen den Berg hoch und oben zeigt der Guide in die Baumkronen – Mina bewegt sich gemächlich auf uns zu. Sie trägt ein etwa dreijähriges Affenkind mit sich und kommt langsam zu uns runter auf den Boden. Rani zieht die Aufmerksamkeit auf sich, in dem er seinen Rucksack öffnet und Bananen hervorholt, die er vorsichtig vor Mina legt. Wie selbstverständlich nimmt Mina diese und verspeist sie. Mina ist der einzige Orang Utan, der von den Guides gefüttert wird, sozusagen als Wegezoll. Wir haben so die Gelegenheit sie und ihr Kind aus wenigen Metern zu beobachten. Als wir weitergehen, bleibt Rani zur Ablenkung noch etwas bei Mina. Ich bin nicht sicher, ob Mina wirklich aggressiv ist oder nur der Nervenkitzel für die Touristen erhöht werden soll. Ausprobieren würde ich es allerdings auch nicht – für einen Orang Utan sind Menschenknochen wie Strohhalme.
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Wir nähern uns unserem Lager am Fluss, der letzte Abstieg für heute liegt vor uns. Der Wald fällt beinahe senkrecht ab, der Pfad ist schmal, alles ist nass und glitschig. Vorsichtig gehen wir abwärts, uns immer an irgendwelchen Baumstämmen, Lianen oder Baumwurzeln sichernd. Bestimmt 20 Minuten dauert es, bis wir unten am Fluss ankommen, mit vor Anstrengung zitternden Beinen. Mehr Training im Vorfeld wäre sicher klug gewesen. Ein improvisiertes Lager steht am Fluss, Holzgestelle, mit Plastikplanen oben und seitlich notdürftig abgedeckt. Hier haben wir die Wahl zu übernachten oder den Heimweg über den Fluss anzutreten. Da kein Moskitonetz zur Verfügung steht, erscheint uns das Risiko einer Übernachtung zu hoch und wir entschließen uns nach einem leckeren Essen für die Rückfahrt mit den Tubes. Drei LKW Reifenschläuche werden dazu hintereinander gebunden und mit uns, den beiden Guides und unserem wasserdicht verpackten Gepäck beladen. Dann geht der Ritt los. Nur gut 20 Minuten dauert der Rückweg über den ungezähmten Fluss, der uns dabei ordentlich abduscht. Die beiden Guides sorgen mit langen Bambusstangen dafür, das wir nicht auf Felsen auflaufen oder ans Ufer getrieben werden. Ein Riesenspass!
Kurz vor Bukit Lawang sehen wir eine Affenhorde in einem Baum, die sich zur Nachtruhe begibt. Eine gute Idee am Ende eines intensiven Tages, findet nicht nur Mell, der Engländer.
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Reiseblog Tips zum Trekking im Leuser Park
- Bukit Lawang ist der übliche Startpunkt für Trekking Touren im Leuser Park. Die Wanderungen starten mit Halbtagestouren. Wer den Park komplett durchqueren möchte braucht ungefähr 9 Tage. Dazwischen ist alles möglich. Wer eine 2 Tagestour mit Übernachtung bucht, schläft in einem sehr provisorischen Lager am Fluss. Holzbalken und schwarze Plastikfolie ringsum, eine Seite ist offen. Eine Isomatte wird gestellt, Schlafsack und Moskitonetz oder Zelt muss selbst mitgebracht werden. Der Preis dafür beträgt aktuell pro Person bei 1.050.000 IDR, handeln bei zertifizierten Führern ist eher zwecklos.
- Die Guides können über die Hotels gebucht werden oder man sucht sich selbst einen. Leider ist die Qualität der Führer trotz Zertifizierung recht unterschiedlich. Vom ruhigen, aber manchmal etwas gelangweilten Baik bis zum Alleinunterhalter ist alles dabei. Lasst eure Menschenkenntnis im Vorgespräch entscheiden!
- Es geht quasi ständig bergauf und bergab, etwas Training vorher ist hilfreich. Regenwald heißt Luftfeuchtigkeit bis nahe 90%.
- Ideal ist lange Bekleidung mit hohem Baumwollanteil, die den Schweiss gut aufnimmt. Mückenschutz verwenden, wir hatten damit keinen einzigen Stich. Knöchelhohe Schuhe laufen nicht so schnell voll Wasser und geben sicheren Halt.
- Regenkleidung ist sinnlos, weil der Hitzestau einem das Weitergehen unmöglich macht. Membrankleidung wie Gorotex funktioniert bei diesen Temperaturen nicht. Ersatzhose/-hemd wasserdicht verpackt mitzunehmen ist die beste Lösung.
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