Für Liebhaber wertvoller Stoffe klingt es wie ein Märchen; abseits der großen Städte, hinter den Bergen der Aravallis, liegt die kleine Stadt Patan, in der die letzten Weber die kostbaren Patola Saris weben.
Einst waren sie geschätzte Kleidungstücke der Maharani und Maharadscha.
Der alte Teil Patans (Gujarat), Anhilawada Patan, war vom 10. bis 13. Jahrhundert die Hauptstadt der Dynastie der Chalukya Solankis. Aus dieser Zeit stammt die Technik der Double Ikat Weberei, bei der Fäden aus reiner Seide mit einem kaum vorstellbaren Aufwand mit einem vierfarbigen Muster versehen werden. Das Muster entsteht, indem der Faden abschnittsweise umwickelt wird, so das die freibleibende Fläche mit Naturfarben gefärbt werden kann. Dann wird die Umwicklung entfernt und für die nächste Färbung an anderer Stelle neu angebracht. Das ganze viermal. Leider vergass ich zu fragen, wieviele hundert Meter Faden so für einen Sari vorbereitet werden müssen…
Anschließend werden die gefärbten Kett- und Schussfäden präzise zu einem Sari von bis zu ca. 120 x 240 cm verwoben. Der fertige Sari sieht von beiden Seiten betrachtet genau gleich aus. Ungefähr 6 Monate Arbeit stecken in solch einem Sari, dessen Preis bei etwa 1000 Euro beginnt und bis zu 4000 Euro reicht.
War es früher eine ganze Kaste, die der Salvi (Weber), die diese Kunst beherrschte, so ist heute nur noch eine einzige Familie in Patan tätig.
Im Patan Patola Heritage Haus, ganz in der Nähe des Stufenbrunnens Rani-Ki-Vav, hat die Familie ein kleines, sehr sehenswertes Museum eingerichtet. Auf einem Webstuhl wird dort gelegentlich der Webvorgang gezeigt. In vielen Schaukästen sind Stoffe aus ganz Asien ausgestellt, meist in der Single Inkat Methode, das heisst nur der Schussfaden ist mit einem Muster vorgefärbt, der Kettfaden ist unifarben.
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Bharatbhai Salvi, der uns freundlicherweise durch das Museum führt, hat noch eine Überraschung parat – in großen, unauffälligen Schubläden lagern drei besondere Saris, einer etwa 300 Jahre alt und zwei, die 700 Jahre alt sein sollen. Die beiden letzteren haben schon Löcher und sind etwas verblasst, doch wo kann man überhaupt noch so alte Stoffe sehen?
Im Gespräch mit Bharatbhai Salvi zieht dieser zwei arg zerlesene Bücher aus einem Stapel Broschüren hervor. Beide stammen von einem Schweizer Autor und sind in den 1970er Jahren vom Ethnografischen Museum in Basel verlegt worden. Die wissenschaftliche Dokumentation der Ikat Weberei in einem beeindruckenden Umfang. In einem der beiden Bücher finde ich eine Karte, die die Verbreitung dieser Webtechnik in ganz Asien aufzeigt. Auf diese Erkenntnis wird der Asienreisende immer wieder stossen – der Ursprung vieler kultureller Entwicklungen in Asien liegt in Indien. Incredible India!
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Reiseblog Tips zum Patan Patola Heritage Haus
- Es liegt nur wenige hundert Meter vom Stufenbrunnen Rani-Ki-Vav entfernt. Eine Fahrt mit dem Tuk Tuk, hier Oto genannt, kostet vom Stadtzentrum ca. 80 Rupien.
- Der Eintritt zum Museum ist frei, innen herrscht strenges Fotografierverbot. Für unseren Reiseblog wurde hier eine Ausnahme gemacht.
- Im Obergeschoss findet der Besucher eine weitere handwerkliche Attraktion, einen Papierschneider. Ganze Bilder werden aus Papier ausgeschnitten. Lasst Euch die Arbeiten seines Grossvaters zeigen, die in diversen Schubladen ruhen. Diese sind nochmals feiner als die heutigen Bilder.
- Mehr zu den Patola Saris unter: www.patanpatola.com