Kein Leitungswasser, keine Eiswürfel und „cook it, peel it or forget it“ will ich hier nicht grundsätzlich in Frage stellen. Doch die Welt entwickelt sich weiter. Kurz vor der Landung in Hanoi konnten wir zum Beispiel eine große Kläranlage ausmachen.
Das erste Mal grüblerisch wurde ich durch dass, finde ich, sehr lesenswerte Buch „Auf heiligen Spuren“ von Christian Krug (2006). Der Autor schrieb, das er in Indien von allen Gegenständen seiner Reiseausrüstung den Wasserfilter als einziges niemals gebraucht hätte. Und er hat dort nicht etwa in Luxushotels geschwelgt, sondern ist 1700 km durch Indien gewandert.
Doch jede Regel ist letztlich die Summe der Erfahrung innerhalb einer Zeiteinheit. Der gesunde Menschenverstand fragt, wie machen das die Einheimischen? Jeder wird bemüht sein, sich, seine Familie und Gäste gesund zu halten.
Wenn wir als Reisende beobachten, nachahmen und die Zeit haben, unseren Körper an die neue Umwelt zu gewöhnen, sollte es überwiegend ohne Wasserfilter gehen. Ganz haben wir uns dann doch nicht getraut und einen Steripen erworben, der mittels UV-Licht die Erbinformationen von Bakterien und Viren zerstört und damit das Leitungswasser trinkbar macht. Merkwürdigerweise wird bei den bekannten deutschen Globetrotterausrüstern das für den Backpacker interessanteste Modell nicht angeboten – eines ohne Batterien dafür mit USB-Aufladung. Das Schmuckstück wiegt nur etwa die Hälfte der anderen Modelle und befreit einen auch von schlechtem Gewissen wegen der Entsorgung der Batterien.
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Der schon hier beschriebene Eindruck von relativer Sauberkeit in Hanoi, ließ mich den Selbstversuch mit dem Leitungswasser wagen. Nachdem das Zähneputzen damit keine Probleme bereitete, gab es ein paar Schlucke pur, unbehandelt. Resultat: Geschmacklich erstaunlich gut und auch hier keine unerwünschten Folgen. Die großen Wassermengen haben wir aber trotzdem über Mineralwasserflaschen gedeckt, bekennende Warmduscher halt.
Aktuell der Stand aus der Ha Long Bucht von der Insel Cat Ba: Das Wasser schmeckt grauslich. Weil zur Zeit noch recht aggressive Bakterien einer Erkältung in mir wüten, kommt hier nur Mineralwasser in die Kehle. Das ist auch der einzige Nachteil des Steripen gegenüber einem, möglicherweise noch mehrstufigem Wasserfilter; es wird nichts ausgefiltert und damit auch geschmacklich nichts verbessert. Für das Trekking unter widrigen Bedingungen bleibt der Wasserfilter erste Wahl.
Eine gute Möglichkeit, dank Steripen, Obst sicher ungeschält essen zu können: Obst, in dem Fall Äpfel, unter fließendem Leitungswasser waschen, dann Apfel in einen Becher, zwei Zyklen Steripen dazu und – guten Appetit!
Eine andere Situation war uns bei der Anschaffung des Steripen noch im Kopf, die auf der nach oben offenen Peinlichkeitsskala schon recht weit oben angesiedelt ist: Beim Homestay oder der privaten Einladung in sehr einfachen Verhältnissen, wo die Gastgeber ihr Bestes geben, kommt es nicht so gut, das gereichte Getränk sicherheitshalber erstmal umständlich durch einen Filter zu pumpen. Den Steripen kann man leichter unauffällig einfach mal reinhalten, kurz umrühren und wieder in der Hosentasche verschwinden lassen.
Wie schon vorher gesagt, jeder Gastgeber wird bemüht sein, sich, seine Familie und Gäste gesund zu halten. Aber es kann ja auch eine eigene Schwäche Anlass zur besonderen Vorsicht sein. Oder eben die nur 14-tägige Urlaubszeit, die dem Körper nicht zur Anpassung reicht.
Nachtrag August 2017
Bei der letzten Reise haben wir keinen Wasserfilter/Steripen mehr mitgenommen. Bisher war in allen bereisten Ländern Mineralwasser gut erhältlich oder wir haben, wie im abgelegenen Buxa Tiger Reserve (Nordindien), wo es nur Wasser aus Brunnen gab, dieses ohne Probleme getrunken. Für Trekkingtouren würden wir allerdings irgendeine Wasserbehandlungsmethode empfehlen, denn es macht wenig Spaß mit Durchfall irgendwo in der Wildness festzusitzen oder sich geschwächt durch die Landschaft zu quälen.
Nachtrag Februar 2018
Mineralwasserflaschen sind ja wirklich schön – aber sie vergrößern das in ganz Asien erdrückende Müllproblem natürlich auch. Gerade nach 5 Wochen Indien ohne einen einzigen Durchfall zurück – es geht also! Es gibt mittlerweile in Indien viele stationäre Wasserfilter, oft große Anlagen in Garagen ähnlichen Häuschen, in denen gereinigtes Wasser für die Bevölkerung für 1-2 Rupien erhältlich ist. Da kann sich natürlich auch der Reisende die Flaschen füllen und damit seinen Beitrag zum Müllproblem leisten. Auch in Hotels und Restaurants haben wir schon solche Anlagen in klein vorgefunden, aktuell sogar auf den Andamanen, die sehen ein wenig wie Wasserboiler aus. Hier kann man sich ohne weitere Kosten seine Flaschen befüllen und das wird auch sehr gerne gesehen. Fragt einfach vor Ort nach!