Entscheidende Tage für Myanmar

Es sind Wahlen in Myanmar. Am 8. November wird das Volk wohl die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi und ihre NLD (National Liga for Democracy) mit überwältigender Mehrheit wählen.

Die unendlich erscheinenden Bemühungen einer der letzten politischen Lichtgestalten von der Klasse eines Nelson Mandelas nähern sich nach 27 Jahren einem hoffentlich glücklichen Ende. Die Plakate, Aufkleber, Mützen und Shirts der NLD sind überall präsent. Bilder Suu Kyis leuchten von Zeitschriftentiteln, hängen in Restaurants und beim Friseur. Es scheint kein Problem zu sein, seine regimekritische Haltung zu zeigen. Die wirklichen Probleme liegen woanders.
Wir sitzen mit W Aung Thein, Member of Central Welfare Committee, in einem Büro der NLD in Yangon. Ein sehr alter Mann, der uns in leisem Englisch von seiner Einladung ins politische Berlin erzählt. Von Frau Merkel persönlich begrüßt, leistete Deutschland Beratung in Sachen Demokratieentwicklung und Jurisprudenz. Die erste spannende Frage nach der Wahl wird sein, ob das Militär das Ergebnis anerkennt. Die Chancen dafür stehen recht gut.
Dann müssen innerhalb der ersten 30 Tage nach der Wahl die gewählten Abgeordneten eine ordnungsgemäße Registrierung vorlegen, was durchaus eine bürokratische Herausforderung darstellt.
60 Tage nach der Wahl muss dann die neue Regierung stehen.
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EU Wahlbeobachter in Myanmar
Die eigentliche Hürde einer echten Machtübernahme aber liegt höher; das Militär hat laut Verfassung eine garantierte Mindestsitzzahl von 25% im Parlament, unabhängig vom Wahlergebnis. Damit kann jede Verfassungsänderung blockiert werden. Und es gibt einen Verfassungsartikel, der Suu Kyi das Amt des Premierministers verbietet, weil sie mit einem Ausländer verheiratet war. Möglichkeiten zu entwickeln, diese beiden Punkte in der Verfassung zu ändern, um das Ergebnis einer demokratischen Wahl wahlkonform umsetzen zu können, war auch Teil der Gespräche in Berlin.
Aber auch Aung San Suu Kyi ist nicht makellos. Zu den schon seit vielen Jahren andauernden Verfolgungen von Muslimen in Burma, den Rohingyas, hat sie lange geschwiegen. Erst in den letzten Monaten gab es, auch auf Druck des Westens, behutsame Aufforderungen zur Mäßigung von Ihrer Seite. Die Ursachen dieser brutalen Verfolgung, teils angeführt von buddhistischen Mönchen, sind schwer erkennbar und mit unserem westlichen, buddhistischen Weltbild noch schwerer in Einklang zu bringen. Die ältesten Motive liegen vermutlich in der Kolonialzeit, als verschiedenste Volksgruppen in einen Staat gepresst wurden. Eigentliche Ursache aber ist, nach W Aung Thein, der Drogenanbau und -handel und seine Verflechtungen in die Machtstrukturen. Der durchaus kluge Schachzug, an Ängste durch Überfremdung zu appellieren um Unruhe zu stiften und von anderem abzulenken, scheint auch hier zu funktionieren. Da die sehr gläubige Bevölkerung den Mönchen vertraut, fällt es selbst Aung San Suu Kyi schwer, dagegen zu argumentieren, ohne an Einfluss zu verlieren.
Bliebe die Frage, wieso die Mönche sich einspannen lassen. Eine mögliche Antwort liegt sicher im Schicksal der Mönche, die sich als politische Gefangene im Gefängnis radikalisiert haben. Eine andere Antwort liegt im Trend, das gerade jüngere, buddhistische Mönche Gewalt als Druckmittel nicht mehr generell ablehnen. Diese Entwicklung wird vermutlich auch in Tibet stärker in den Vordergrund treten, wenn der Dalai Lama eines Tages stirbt.
Der 8. November ist also nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem freieren Myanmar. Hoffen wir, das auch die nächsten Schritte gelingen. Die Menschen in Myanmar wünschen sich im Moment nichts inniger.

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