Militärputsch in Myanmar

Aus der Balance
Der Militärputsch hat Aung San Suu Kyis Drahtseilakt abrupt beendet. Seit ihrem Wahlsieg 2015 hatte sie versucht Myanmar aus einer über 50-jährigen Militärdiktatur zu führen.

Der erneute, überdeutliche Wahlsieg ihrer Partei NLD 2020 brachte offenbar das Toleranzfass des Militärs zum überlaufen. Dabei hatte Aung San Suu Kyi stets versucht die Balance mit dem Militär halten. Selbst das Verbrechen der Vertreibung der muslimischen Rohingya hat sie gedeckt, ja offensiv verteidigt, was ihren Ruf international schädigte. Sie wird es diesmal im Ausland deutlich schwerer haben, ihre moralische Überlegenheit gegen die Militärs in die Waagschale zu werfen. Erschwerend kommt hinzu, das ihr ganzes agieren in diesem Fall den Eindruck erweckte, die Vertreibung der Muslime zu billigen.

Ehepaar auf einem Trishaw in Sittwe. Der Mann gehört der Volksgruppe der Rohingya an, die Frau ist Birmanin.
Ehepaar auf einem Trishaw in Sittwe. Der Mann gehört der Volksgruppe der Rohingya an, die Frau ist Birmanin.

 

 

 

Dabei ist die Bilanz ihrer Regierungsarbeit nicht ganz schlecht, gerade im Bildungssektor hat sie einiges in Bewegung gebracht. Lehrer werden zum Beispiel besser bezahlt. Sie sind nicht mehr darauf angewiesen ihren Unterricht so schlecht zu gestalten, dass sie über kostenpflichtige Nachhilfestunden genug Geld zum Leben verdienen. Der Lebensstandard vieler Menschen ist besser geworden. Ein bescheidener, wenngleich sehr fragiler Wohlstand hat die Mittelklasse vergrößert.
Doch die Macht des Staates im Staate, dass Militär, konnte sie nicht beschneiden. Alles was großes Geld in Myanmar einbringt, Rohstoffe, Pipelines, Stromerzeugung und, man mag es kaum sagen in einem buddhistischen Land, Spielkasinos und Bordelle für überwiegend chinesische Touristen, lag und liegt in den Händen von Militärs und ihren verbündeten Oligarchen. So fehlten Shu Shii nicht nur die Machtmittel, denn Militär und Polizei lagen stets außerhalb ihrer Regierungsreichweite, sondern schlicht Geld um politisch mehr Reformen in Myanmar umzusetzen.

Und es gäbe viel zu tun in Myanmar.

Durch willkürliche Grenzziehungen in der Kolonialzeit leben 135 anerkannte Minderheiten in Myanmar, geografisch um das birmanische Kernland herum angeordnet. Andere Sprachen, andere Religionen, die fortwährende wirtschaftliche Ausbeutung, kurz das Gefühl der Menschen ihre Belange in der Zentralregierung nicht vertreten zu sehen, haben zur Gründung von Untergrundarmeen geführt.  Deren bekannteste dürfte die ARSA im Bundesstaat Rakhine sein.  2017 haben Auseinandersetzungen zwischen der ARSA und der myanmarischen Armee eine schwelende Lunte hell entflammt. Mit erbarmungsloser Härte hat die Armee über 700.000 Rohingyas vertrieben, ungefähr die Hälfte aller Rohingyas in Myanmar. Der Anfang dieser Lunte ist allerdings mehrere Jahrhunderte alt und ist daher sicher auch nicht schnell zu löschen.
Ein Sprecher der FUP, eines Zusammenschlusses von 16 politischen Parteien der Minderheiten im Land, äußerte kurz vor der Wahl 2015 die Hoffnung, ausreichend Wählerstimmen zu erhalten, um eine Koalition mit der NLD eingehen zu können. So ist es leider nicht gekommen. Den Wählern war es nicht zu verdenken, der Wunsch endlich die verhasste Militärdiktatur loszuwerden und die Begeisterung für Aung San Suu Kyi hatten sie auf Nummer sicher gehen und mit absoluter Mehrheit die NLD wählen lassen.

Eine anderes großes Problem sind radikale Mönche. Auch dies ist für uns nur schwer zu verstehen – Gewalt und Buddhismus gehen für uns Europäer nicht zusammen. Es gibt einflussreiche Mönche, wie Ashin Wirathu, die Myanmar gerne als ein rein buddhistisches Land sähen und bei der Erreichung dieses Ziels neben der Agitation auch vor Vertreibung und Mord nicht zurückschrecken. Ein Thema das übrigens auch in der größten Demokratie der Erde, in Indien, das friedliche Zusammenleben der Gesellschaft zunehmend gefährdet. Nur das in Indien die Ausgrenzung der Muslime subtiler verläuft.

Im Herzen der Menschen Myanmars hat Aung San Suu Kyis, trotz mancherlei leiser Kritik an ihr, immer noch den Platz, den Nelson Mandela im Herzen der schwarzen Südafrikaner hatte. Sie ist jetzt 75 Jahre alt und wann und ob sie nach dem Militärputsch wieder frei kommt, ist völlig offen. Die ersten Proteste und Demonstrationen in Myanmar zeigen, das die Menschen den Militärputsch nicht einfach hinnehmen wollen. Bisher geht das Militär nur gemäßigt gegen die Protestierenden vor – die große Machtprobe steht noch bevor. Meine Gedanken sind bei den Myanmaren.

Nachtrag vom 05.09.21

Seit mehr als einem halben Jahr währt nun der Militärputsch in Myanmar. Auch wenn das Thema aus den Medien weitgehend verschwunden ist, mittlerweile sind über 1000 Menschen zu Tode gekommen. Gezielte Kopfschüsse seitens des Militärs auf Demonstrierende haben die Demos zwar nicht verhindert, aber den Preis für eine Teilnahme erhöht. Aung San Suu Kyis muss sich vor Gericht mehreren Anklagen erwehren und die Weltöffentlichkeit schaut weitgehend weg. Das Kalkül der Militärs,  Suu Kyis ramponierter Ruf im Ausland wird internationale Proteste diesmal klein halten, könnte aufgehen. Inzwischen hat die Militärführung einem neuen Wahltermin auf den August 2023 verschoben. Wenn das Thema international nicht wieder mehr ins Rampenlicht rückt, würde ich mich für diesen Termin nicht verbürgen wollen. Solange die Militärs Ruhe haben, werden Sie das Land weiter ausplündern und ihre Machtstellung behalten. Bitter für die Bevölkerung.

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